20120217 PNP-Berichterstattung Windkraft

20120217 „Windrad-Debatte“ am Dreisessel, PNP-Presse

MdL Kobler gibt Bürgermeister Contra - Gemeinderat stellt sich hinter Bermann - Grünen-Chef mahnt zu Besonnenheit

Von Christoph Seidl und Ludwig Süß
Neureichenau. Es war ein politischer Paukenschlag: Der Neureichenauer Bürgermeister Walter Bermann hat - auch im Namen seiner Kollegen von der ARGE Dreiländereck - MdL Konrad Kobler scharf für seine Windkraft-Initiativen kritisiert (wir berichteten in der Samstagsausgabe): Von „Aktionismus“ und „Alleingängen“ war die Rede - und davon, dass der CSU-Politiker mit seinem Einsatz für Windräder nicht den Willen der Bürger vor Ort erfülle, die ihn nach München abgeordnet hätten, sondern vielleicht sogar von „persönlichen“ und „anderweitigen Interessen“ geleitet werde.

Die Antwort des MdL kam prompt

Die Antwort des Landtagsabgeordneten kam prompt - und sie fällt, je nach Sichtweise, witzig, ironisch oder sarkastisch aus. So lautet der Brief an Bermann, der der PNP vorliegt, im Wortlaut:
„Sehr verehrter Herr Bürgermeister! Mit Interesse entnehme ich aus der Passauer Neuen Presse Ihr Engagement auf dem Gebiet der Energiewende, nach Abschaltung der uns in Bayern zu 60 Prozent versorgenden Kernkraftwerke nach dem ,St. Floriansprinzip‘ den Strombedarf in alternativer Form zu decken. Hochinteressant finde ich ferner, was in der Darlegung zwar nicht so direkt zum Ausdruck kam, dass offenbar auf eine ,neue Generation‘ von Windenergieanlagen zugewartet wird, welche dann jeweils in den Kellern, völlig uneinsehbar durch die Menschen unserer Heimat installiert werden können.“ Zum Hintergrund: Bermann hatte im Namen der ARGE Dreiländereck darauf hingewiesen, dass Windräder die Landschaft verschandeln würden, das große Kapital der Tourismusregion.
Beigelegt hat Kobler seinem Brief übrigens eine 65-seitige Anlage mit dem Titel „Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen“ von den für dieses Thema zuständigen Bayerischen Staatsministerien - verbunden mit der Bitte um weitere Mithilfe bei der Energiewende. „Gerne bin ich bereit, zur Erreichung der Ziele der Energiewende entsprechende Schützenhilfe zu erhalten (...) und freue mich auf eine diesbezüglich weitere konstruktive und zukunftsträchtige Zusammenarbeit zum Wohle der Menschen in unserer Heimat und sicheren Energieversorgung, damit auch nach dem Jahre 2022 bei uns die Lichter nicht ausgehen.
Mit freundlichen Grüßen, Konrad Kobler, MdL.“


Rückenwind für sein resolutes Vorgehen bekam Bürgermeister Walter Bermann indes durch ein eindeutiges Votum des Neureichenauer Gemeinderats. Dr. Siegfried Schmidbauer hatte die Aussprache angestoßen mit der Feststellung, er finde den Bericht in der PNP vom 12. Februar gut und richtig. Es sei an der Zeit gewesen, dass „endlich jemand offiziell zu den Umtrieben des Landtagsabgeordneten Konrad Kobler Stellung“ nehme. Dessen auch mediale Vorstöße für einen trilateralen Windpark auf den Hochlagen des Bayerischen und Böhmerwaldes würden von Arroganz und mangelnder Sachkenntnis zeugen. Kobler ziehe mit seiner Vorstellung durchs Land, ohne vorher „auch nur ansatzweise“, so Bermann, mit den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden zu reden, was das Naheliegendste sein müsste.
Unterstützung bekam Dr. Schmidbauer vom ganzen Gremium. Man sei nicht gegen alternative Energien, schließlich gebe es in der Gemeinde seit Jahren einen Solarpark und die Kommune selbst betreibe solche Anlagen auf Dächern ihrer Gebäude, ebenso zahlreiche private Hauseigentümer.

Kein Nein zu alternativen Energien

Sachlich stünden das Natur- und Landschaftsschutzgebiet und der Abstand zur internationalen Messstation Sulzberg entgegen, was auch dem Abgeordneten bekannt sein müsste. Hinzu käme, dass auf dem Kamm des Dreisessel und der Böhmerwaldberge ohnehin die richtige Windströmung nicht gegeben sei, das hätten Messungen ergeben. Auch sei es mit Windrädern nicht abgetan, es müssten in eines der „schönsten Biotope“ Bayerns Kilometer lange Schneisen für Kabelverlegungen geschlagen werden. Das Fazit des Gremiums: „Alternative Energien ja, aber nicht mit der Methode des MdL Kobler, das heißt nicht im Alleingang und nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg.“
Eingeschaltet in die Diskussion hat sich auch Grünen-Kreisvorsitzender Hans Madl-Deinhart. „Das Vorgehen von CSU-MdL Konrad Kobler war sicher nicht richtig, aber Bürgermeister Walter Bermann müsste ihn ja inzwischen schon kennen. Es ist ja nicht der erste Fall, in dem der Abgeordnete nach vorne prescht“, meint der Graineter.
Man sollte es sich aber nicht so leicht machen und einen Sündenbock suchen, um dem Thema Windenergie aus dem Weg zu gehen.
„Sicher gibt es Bürger, die keine Windräder auf unseren schönen Bayerwaldbergen wollen. Aber es gibt auch solche, die sich dafür begeistern und dem Ganzen auch positive Seiten abgewinnen können“, so Madl-Deinhart.

Appell zu konstruktivem Dialog

Von den Bürgermeistern der ARGE würde er erwarten, dass sie in einen konstruktiven Dialog mit der Bevölkerung treten und versuchen, vernünftige Lösungen zu erarbeiten. „Die sogenannte Energiewende wird nicht von selbst über das Land hereinbrechen, jeder einzelne ist gefragt!“

Windräder im Bayerischen Wald - ja oder nein? Diese Frage bewegt die PNP-Leser, wie zahlreiche Einsendungen zeigen. Neue Beiträge lesen Sie heute auf Seite 29. Da die Argumente mittlerweile ausgetauscht sind, schließen wir mit der heutigen Ausgabe unser Forum. Beiträge und Diskussionen sind aber weiterhin im Internet unter www.pnp.de möglich.

 

 

 

LESERFORUM: Windräder im Bayerwald - ja oder nein?

Zum Bericht „Gegenwind vom Dreiländereck“ vom 11. Februar.

So wenig Propeller wie möglich
Der Bayerische Wald ist eine der schönsten Regionen der Welt. Es gilt, ihn vor weiteren Verunstaltungen zu schützen. Strom muss dort erzeugt werden, wo er gebraucht wird, heißt es. Der Strom fürs BMW-Werk Dingolfing darf nicht auf Bayerwaldhöhen produziert werden.
Es muss einen anderen Weg geben und es gibt ihn: Ausgleichen mit anderen Energiespendern, abwarten auf die Weiterentwicklung der Stromspeichertechnologie und Strom sparen statt vergeuden.
Müssen die Lichter Tag und Nacht brennen? Kann man die Straßenlampen nicht früher abschalten? Müssen alle Gässchen die ganze Nacht beleuchtet sein? Ich glaube nicht. Dann wird es allemal reichen für uns. Soll unser Land sein Gesicht verlieren wegen ein paar lächerlichen Megawatt Strom?
MdL Koblers Hirn scheint nur mehr mit lauter Paragraphen, Verordnungen und Profitdenken - wie bei vielen unserer Mitmenschen bisher - vollgestopft zu sein.
Dank und Respekt gilt dem Bürgermeister, Herrn Bermann (Neureichenau), für sein Eintreten für Heimat und Geborgenheit und damit auch für Lebensqualität. Solche Politiker gibt es leider nur noch wenige.
Adalbert Stifter würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sich den sagenumwobenen Dreisesselberg als Windpark vorstellen müsste.
Herbert Kellermann,
Mitglied der „Grünen“,Schiefweg.

Anmerkung: Herr Kellermann ist schon seit Jahrzehnten sehr konsequent gegen alles, was über eine Kirchtumhöhe hinausragt im Bayer. Wald. Ein optischer Graus für ihn.

Heiliger Florian und natürliche Heimat
Als ich Ende der 80-er Jahre bei der Gemeinde den Antrag für eine damals noch genehmigungspflichtige Acht-Quadratmeter-Solaranlage auf meinem neuen Einfamilienhaus stellte, erlebte ich sonderbare Reaktionen: Der Gemeinderat konnte sich damit zunächst nicht anfreunden und beauftragte den Bauausschuss mit einer Ortsbesichtigung.
Auch der Kreisbaumeister äußerte starke Bedenken. Schließlich würde die „Dachlandschaft doch erheblich gestört“. Letztlich war das Vorhaben aber nicht zu verhindern. Mehr als 20 Jahre später, im Jahre Eins nach Fukushima, stören sich die Bürgermeister in der Region um den Dreisessel an möglichen Windkraftanlagen in ihrem Gebiet. „Unsere natürliche Heimat… und den Tourismus derartig mit Füßen zu treten, das tut man nicht.“
Nur bei geeignetem Wetter und nach einigem Suchen kann man bislang vom Haidel aus die Türme von Temelin und Ohu erkennen. Aber weil beide AKWs (noch) keine Schatten auf ihr Gemeindegebiet werfen, können die ARGE-Bürgermeister offenbar gut schlafen.
Die „natürliche Heimat“ jener Japaner, die einst um Fukushima lebten, sie bleibt wohl für die Betroffenen auf Dauer nur traurige Erinnerung. Dabei dachte ich, dass das Schicksal der Heimatvertriebenen von Fukushima auch bei uns einen dauerhaften Wandel im Bewusstsein und bei den Wertvorstellungen erzwingen würde. Aber leider brauchen bislang die ARGE-Bürgermeister weder Atom- noch Windkraft (oder gar ein Atomendlager).
Zuverlässig kommt der Strom immer noch aus der Steckdose. Viel zu tun wird es jetzt dort geben für die Holzschnitzer, denn vor jedes Rathaus muss nun eine Statue des Heiligen Florian.
Gerhard Albrecht, Sprecher Plattform Temelin, Kellberg.

Landkreis wäre durch Windräder autark
Eines ist klar: Atomenergie kann ganzen Regionen den Tod bringen. Atommüll zu produzieren ist unverantwortlich. Landschaftsschutzgebiete sind keine Ausrede, da der Grenzverlauf änderbar ist und der Ausbau der „Alternativen Energien“ politisch gewollt ist. Die Radarstation auf dem Arber ist auch nicht schön.
Der Landkreis Freyung-Grafenau würde sechs bis acht große Windräder benötigen, um sich selbst mit Strom versorgen zu können. Die Bürger des Landkreises wären autark. Ein wichtiger Schritt hin zu dezentraler, unabhängiger, verantwortungsvoller Energieversorgung, ohne strahlenden Restmüll. Man muss ja nicht jeden Berggipfel schmücken, denn natürlich besteht auch eine Verantwortung für das Landschaftsbild, den wohnenden Menschen und wichtige ökologisch wertvolle Bereiche.
Man könnte zum Beispiel einen Bürgerverein gründen. Alle Landkreisbürger könnten ihm beitreten. Später, in einer passenden Gesellschaftsform, wird den Mitgliedern ermöglicht, Anteile an den zu bauenden Windkrafträdern zu erwerben. Als mündige Bürger benötigen wir hierzu keine rückständigen Politiker. Die haben es schon des Öfteren versäumt, sich ordentlich zu informieren und dann fair aufzuklären - ich denke hier nur an die Verhinderung des Biosphärenreservats Bayerischer Wald, ein Verlust von mehreren Millionen für unsere Region.
Uwe Vos,Forst-Sachverständiger,Waldkirchen.

Wir brauchen die Windräder
Die katastrophalen Auswirkungen der Atomkraft in Japan erschreckten die Welt. Unsere Regierung ist aus der Atomkraft ausgestiegen und sucht jetzt nach alternativen Energien. In Norddeutschland hat man bereits den kommerziellen Windpark in der Ostsee. In Bayern haben wir die Berge und da birgt gerade der Bayerische Wald große Chancen in der Windkraft.
Minister Brunner setzt sich für Windräder in den Staatsforsten ein, weil er hier ein gewaltiges Potenzial vermutet. Auch Landrat Ludwig Lankl (CSU) vom Landkreis Freyung-Grafenau ist für die regenerativen Energien offen.
Dem Raum Passau, Freyung-Grafenau, Deggendorf und Regen wird fast durchwegs eine unterdurchschnittliche Leistungskraft bescheinigt. Mit dem Aufbau von Windrädern auf unseren Bergen, könnten wir die ganze Gegend mit Strom versorgen und unsere Leistungskraft steigern.
Für Landschaftsschutzgebiete kann man ja Ausnahmen zulassen, weil dies für den Staat und für uns das Wichtigste ist, und nach der Verhältnismäßigkeit alles andere zurückstehen muss. Wir brauchen die Windräder!
Wilhelm Kraml,Grafenau.

Es bleibt ein schales Gefühl
Die bayerische Staatsregierung hat in der Frage der Stromerzeugung eine 180-Grad-Kehrtwende vollzogen. Bis 2020 sollen also mindestens zehn Prozent der Stromerzeugung aus Windkraft erfolgen. Es müssen also geeignete Standorte gesucht und durchgesetzt werden.

Kriterien dafür sind: Der Wind muss aus allen Richtungen nutzbar sein und zirka 800 Meter Abstand zu Wohngebieten eingehalten werden. In unserer Region sind also nur Berggipfel beziehungsweise Bergkämme nutzbar, denn nur dort greift der Wind von allen Seiten an. Man versucht diese Standorte den Leuten mit folgenden Argumenten schmackhaft zu machen:

Windkraft bringt Geld in die Gemeindekassen. Die infrage kommenden Standorte liegen aber auf außergemeindlichen, in Staatsbesitz befindlichen Gebieten. Es ist also nichts mit Gewerbesteuer. Auch spart sich der Staat dazu komplizierte Genehmigungsverfahren.
Zweite Behauptung: In Form von Bürgerbeteiligungen können sich örtliche Unternehmen Geld verdienen. Aber: Eine Anlage, die etwa 4000 Menschen mit Strom versorgt, kostet mindestens 15 Millionen Euro. Welche örtliche Gesellschaft kann das aufbringen?
Behauptung drei: Es werden Arbeitsplätze geschaffen: Die Anlagen werden dann von Kapitalbeteiligungsgesellschaften außerhalb gebaut, von Spezialisten von außerhalb errichtet und gewartet. Was bleibt also den Einheimischen: Ein zweifelhaft verändertes Landschaftsbild mit zweifelhaften Folgen für den Tourismus, dem einzigen Erwerbszweig, der in unserer Region noch ausbaufähig ist. Wohin also mit den Windkraftanlagen? Reist man durch Deutschland, so sind die Windparks zumeist in der Ebene angesiedelt. Denn auch dort kann gleichmäßig wehender Wind von allen Seiten genutzt werden. Wie wäre es also, wenn man diese Anlagen zum Beispiel im Gäuboden oder im Alpenvorland errichten würde? Dort herrschen auch gute Windbedingungen, wie die zahlreichen Sturmwarnungen im bayerischen Seenland beweisen. Oder will man sie dort etwa nicht haben, obwohl dort in den Ballungszentren der meiste Strom verbraucht wird? So aber bleibt das schale Gefühl: Aber da hinten, da können wir das bauen.
Und plötzlich erinnert man sich wieder an unsere Region, die man am liebsten an Österreich oder Tschechien abgeben würde.
Franz Kerschbaum, Altreichenau.

Leserbriefe sind Äußerungen des Verfassers und brauchen mit der Meinung der Redaktion nicht übereinzustimmen. Die Redaktion behält sich außerdem das Recht zu sinnwahrenden Kürzungen vor. Über Leserbriefe kann keine Korrespondenz geführt werden.

 

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