Mitterdorf-Projekt: Nachtarock einer grünen Runde

24.02.23 –

Kritiker pochen auf Informationsgespräche und mehr Transparenz bei Vergaben im 20-Millionen-Vorhaben – Landrat wittert auch Wahlkampf

Von Christian Karl

FRG/Mitterdorf. Die Kreis-Grünen haben einen Vor-Ort-Termin von MdL Christian Zwanziger im Wintersportzentrum Mitterdorf zum Anlass genommen, mit Blick auf das dort laufende 20-Millionen-Vorhaben nochmals Skepsis und Kritik am Großprojekt und auch an „intransparenten“ ersten Vergaben einzuwerfen. „Es hat schon viele Entscheidungen gegeben, die am Ende anders durchgezogen worden sind, als man sie gefällt hat“, sagte Zwanziger, der auch Sprecher für Landesentwicklung und Tourismus ist. Als Extrembeispiel nannten er und sein MdL-Kollege Toni Schuberl das Skischaukel-Projekt am Riedberger Horn (Allgäu), wo im Wahlkampfjahr 2018 ein umstrittenes Vorhaben ein Ende fand – nicht zuletzt durch ein Machtwort von Ministerpräsident Markus Söder.

Der Erlanger Abgeordnete verschaffte sich zusammen mit Kreis-Vorsitzendem Alexander Rohde beim gemeinsamen Skifahren am Almberg einen Überblick über das Areal, das mit vielerlei Liftmodernisierungen/-erweiterungen sowie Sommerattraktionen (Seilrutschen/Naturerlebnisbahn und Erlebniswanderwegen, spielerische Motorikübungen) für künftige Wintersaisonen und vor allem für ganzjährlichen Tourismus attraktiver aufgestellt wird.

„Ich habe versucht, alle an einen Tisch zu bekommen“, sagt Alex Rohde und erwähnt, dass er, „um die Situation vor Ort zu lösen“ neben Parteikollegen vor allem auch Vertreter des Zweckverbands, des Bund Naturschutz, der Staatsforsten und des Deutschen Alpenvereins eingeladen hatte. Vom Zweckverband allerdings kam eine Absage (auf die später im Text näher eingegangen wird).

Rohde nahm bei dem Pressetermin anfangs zum wiederholten Mal die Finanzierung des 20-Millionen-Projekts, bei dem der Freistaat rund 5,8 Millionen zuschießt, und vermeintliche Konsequenzen ins Visier. „Die Gemeinde Philippsreut (neben dem Landkreis FRG zweites Mitglied im Zweckverband; d. Red.) bekommt Stabilisierungshilfe. Der Zweckverband Wintersport hat vorletztes Jahr 200000 Euro separat aufnehmen müssen, damit er keine schwarzen Zahlen schreibt“, so Rohde. „Da frag ich mich dann schon, woher das Geld für den Zweckverband kommt. Wenn sich das Vorhaben nicht irgendwann amortisiert, werden die Schulden umgelagert auf den Landkreis.“ Landrat Sebastian Gruber hatte unlängst auf eine Frage von FDP-Kreisrat Alexander Muthmann im Finanzausschuss mitgeteilt, dass aktuelle Wirtschaftlichkeitsberechnungen die Amortisierung des Betriebs dokumentieren.
 

„Kann gut gehen – aber auch nicht“

„Das kann gutgehen – aber auch nicht gut gehen“, meinte Toni Schuberl und kritisierte – wie schon vor der Grundsatzentscheidung für die Modernisierung im Kreistag im Dezember 2021 – „dass man sich viel zu wenig Gedanken gemacht hat, wie Wintersport in acht oder zehn Jahren ausschaut.“ Und auch in Sachen Erschließung Sommertourismus und den dabei geplanten Attraktionen wird Schuberl kritisch. „Ich glaube nicht, dass sich Verantwortliche hingesetzt und überlegt haben: Was wäre die beste Sommernutzung für uns? Ich glaube vielmehr, dass sie gesagt haben: Wir wollen die Lifte erneuern, weil es da ein Förderprogramm gibt. Aber dafür brauchen wir auch eine Sommernutzung, sonst bekommen wir es nicht gefördert. Und dann lassen wir das gleich den planen, der auch die Lifte plant“, meint Schuberl. „Da wurde nicht überlegt, was man für eine Zielgruppe hat und was vor Ort das Beste ist, sondern wie kann man Synergie-Effekte schaffen und Lücken schließen.“



Grünen-MdL Christian Zwanziger stellt Förderungen dafür grundsätzlich in Zweifel und möchte vor allem die Zuschüsse für Beschneiungsanlagen im Landtag zur Disposition stellen. „Die Idee von Leuten, die die Beschneiung ausbauen, ist die, dass man eine 100-Tage-Saison mit Skibetrieb hinbekommt. Aber nahezu alle Studien besagen, dass man das selbst mit hohem technischen Aufwand für die allermeisten deutschen Skigebiete nicht schafft. Es ist also fraglich, ob man das hier die ganze Zeit schafft, bis sich das auch amortisiert hat“, so Zwanziger. „Ich komme zu dem Schluss, dass es keine gute Idee ist, wirtschaftspolitisch weiterhin auf Beschneiung zu setzen.“

Gudula Lermer (Leiterin Forstbetrieb Neureichenau) erwähnte in diesem Zusammenhang auch den großen Konkurrenzdruck wegen des benachbarten österreichischen Skigebiets Hochficht, „wo an der Schwarzenbergbahn die vergangenen Tage die Parkplätze immer brechend voll waren mit Autos überwiegend von Passauern und Holländern“ und ihrer Ansicht nach auch das gastronomische Angebot besser sei. Schuberl zweifelte an, dass man den Mitterdorfer Liftkarten-Preisvorteil gegenüber Hochficht auf Dauer wahren kann, wenn nach der Modernisierung wohl auch Tarife höher werden und Leute deswegen abwandern könnten.

Aber wie will man auf Seiten der Kritiker die Maßnahme beeinflussen – jetzt, wo in politischen Gremien mit 43:3-Mehrheiten – und gegen drei Stimmen der Grünen – im Kreistag (Dezember 2021) bereits Grundsatzbeschlüsse und beim verantwortlichen Auftraggeber Zweckverband konsequenterweise bereits auch im Jahr darauf Aufträge in Höhe von elf Millionen Euro vergeben worden sind?
 

 

Landrat mutmaßt auch Wahlkampf-Strategie

Schuberl wollte in diesem Zusammenhang auch nochmals in München nachfassen, ob und warum es damals beim Grundsatzbeschluss im Dezember 2021 offenbar eine Frist bis Jahresende gab, um die Förderung zu erlangen. Damals hatten die Grünen im Vorfeld noch auf einen Verfahrensstopp und zunächst ein Klima-Gutachten gepocht – vergeblich. „Es wurde unter Druck durchgedrückt. Und danach haben wir im Kreistag nichts mehr gehört – auch nicht, dass elf Millionen Euro ziemlich intransparent an Aufträgen vergeben worden sind“, so der MdL und Kreisrat mit Blick auf einen jüngsten PNP-Bericht. „Aber das müssen wir offenbar auch nicht, weil das eine interne Angelegenheit des Zweckverbands ist.“ Schuberl forderte mit Blick auf das laufende Modernisierungs- und Vergabeverfahren ein, „dass die Sache offener betrieben wird und man sich auch Kritik anhört“. Er und Zwanziger wollen in München bzw. im Kreistag nochmals nachhaken, was mit den besagten bereits vergebenen elf Millionen Euro an Vergaben konkret auf den Weg gebracht worden ist.



„Eine oft sicher zweckmäßige Modernisierung von Liften muss ja nicht zwangsmäßig einhergehen mit hohem finanziellen Aufwand, um Schneesicherheit zu garantieren – und können es dann vielleicht doch nicht“, sagte Zwanziger, der eingangs bereits einwarf, dass sich Wintersport nicht ausschließlich auf Alpinskifahren beschränken solle. Vielmehr könne das – meist ohne aufwendige Beschneiung – auch Langlauf, Schneeschuh-Wandern und Winterwandern sein.

Nochmals zum weiteren Procedere der Kritiker: „Zunächst einmal wäre eine Voraussetzung, dass der Verbandsvorsitzende bereit ist, ein Gespräch mit Kritikern zu führen – und sich nicht bockig verweigert“, sagte Schuberl mit Blick auf die jüngste, eingangs erwähnte Einladung. Zu den Tatsachen gehört allerdings auch, dass der attackierte Landrat und in Personalunion Verbandsvorsitzender Sebastian Gruber – nach PNP-Informationen – in jüngerer Vergangenheit Infogespräche angeboten hat. Jetzt, in Zeiten nahender Landtagswahlen, wittert er auch wahlkampfstrategische Hintergedanken bei kurzfristigen Gesprächsaufforderungen.

In einer PNP-Umfrage unter den zehn Kreistagsfraktionen sahen sieben Parteien durchaus nochmals Diskussionsbedarf in Sachen Modernisierung Mitterdorf, zumal Begleiterscheinungen wie der Ukraine-Krieg und einhergehende Energieprobleme mehr geworden sind und der Klimawandel nicht weniger.

„Und der Große Almberg wird auch nicht höher“, meinte Gudula Lermer bei dem Treffen mit Blick auf schneesicherere alpine Regionen anderswo.

 

Quelle: Passauer Neue Presse vom 24.02.2023

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