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Freyung-Grafenau

Wo im Bayerwald finden Sie Europa?

Alexander Rohde und Christine Engel stellen sich als Kandidaten der Europawahl – Ein Interview

14.05.24 – von pnp –

Freyung-Grafenau. In rund sechs Wochen – genauer gesagt am 9. Juni – wird das Europäische Parlament gewählt. Von den derzeit im Bundestag vertretenen Parteien schicken zwei einen Kandidaten aus FRG ins Rennen.

Alexander Rohde (47) aus Bischofsreut/Haidmühle, Berufssoldat, kämpft für Bündnis 90/Die Grünen um Stimmen und Christine Engel (49) aus Grafenau, selbstständige Architektin, für die CSU. Beide sind auf Platz 40 der jeweiligen Liste gelandet. Ansonsten haben sie wenig gemeinsam, wie das Interview der PNP zeigt.

Was hat Sie zu einer Kandidatur für das Europäische Parlament bewogen?

Engel: Die für mich nicht zufriedenstellende Ampelregierung in Berlin hat mich dazu bewogen, mich noch aktiver in der Politik zu engagieren. Auch die in letzter Zeit verabschiedeten oder vorgeschlagenen Gesetze / -entwürfe in Brüssel (...) stießen bei mir auf Unverständnis, wie zum Beispiel das Verbrenner-Aus, die Führerscheinrichtlinie oder das Brennholzverbot.

Rohde: Mein Thema ist die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. In meinen bisherigen Verwendungen bei der Bundeswehr, insbesondere in den Auslandseinsätzen, Seite an Seite mit internationalen Militärs und Sicherheitsbehörden, habe ich viel mitbekommen. Die aktuelle Lage –Krieg in der Ukraine, Krieg in Nahost – und vor allem wie damit umgegangen wird, das zeigt uns, dass da noch ordentlich „Luft nach oben“ ist. Ich bin überzeugt von der Grundidee der grünen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die die Krisenfrüherkennung und Konfliktprävention in den Vordergrund stellt. Mit meinen Erfahrungen aus der Praxis möchte ich auf europäischer Ebene alles dafür tun, dass es ein Stück weit sicherer wird auf unserer Erde.

Rohde: Experte weiß auch mal, „wann er die Klappe zu halten hat“

Warum sollten die Wähler gerade Sie wählen?

Engel: Ich möchte die (...) weit entfernte EU-Politik den Menschen in meiner Region näherbringen und ihnen zeigen, wie wichtig die Entscheidungen in Brüssel sind (...). Außerdem möchte ich dazu beitragen, dass auch weiterhin genügend Fördermittel zu uns nach Niederbayern in den ländlichen Raum fließen.

Rohde: Ich bin in meinem Gebiet Fachmann, Praktiker - kein Theoretiker. Ich möchte mich auch gar nicht in alle Ressorts einmischen: den Experten zeichnet aus, dass er auch mal weiß wann er die Klappe zu halten hat. Leider ist dies in der Politik aktuell nicht mehr so – gleichwohl habe ich Hochachtung vor denjenigen Berufspolitikern, die sich – bevor sie vor die Medien treten - ausführlich beraten lassen. Dennoch: in einem funktionierenden Team muss es „die Studierten“ genauso wie die Praktiker geben.

Für welchen Umgang mit der AfD setzen Sie sich ein?

Engel: Ich bin offen für andere Meinungen und setze mich für einen respektvollen und demokratischen Umgang mit allen politischen Parteien ein, einschließlich der AfD. Ich trete für einen konstruktiven Dialog (...) ein (...). Gleichzeitig verurteile ich jegliche Form von Extremismus, Rassismus und Diskriminierung.

Rohde: Personen und Organisationen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung unserer Bundesrepublik nicht anerkennen, die die Grundprinzipien unseres friedlichen Zusammenlebens bewusst mit Füßen treten, haben in der Politik nichts verloren. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die AfD.

Landwirte haben auch in Brüssel demonstriert. Können Sie die Kritik/ Sorgen der Bauern nachvollziehen?

Engel: Auf jeden Fall kann ich die Sorgen der Bauern verstehen und ich bin stolz, dass diese absolut friedlich und ohne Zwischenfälle auf die Straßen gegangen sind, um ihren Unmut kundzutun und auf ihre Situation hinzuweisen. Unsere Landwirte sind mit eine der wichtigsten Säulen unserer Gesellschaft, denn sie tragen nicht nur zur Sicherstellung unserer täglichen Ernährung bei, sondern stellen auch einen großen Teil unserer Wirtschaft dar.

Rohde: Ich kann sowohl die Kritik der Landwirtinnen und Landwirte, als auch die Sorgen der Verbraucher*innen nachvollziehen. Ebenso verständlich sind mir die Sorgen und die Kritik der „letzten Generation“. Allerdings geht mir in beiden Gruppen die Form des Protests, bzw. die Auswüchse die deren jeweilige Protestformen angenommen haben, ordentlich auf den Keks. Mist und Gülle in der Stadt zu verteilen, oder sich auf die Straße zu kleben, das sind Aktionen die den eigentlichen Grund des Protestes schon wieder in den Hintergrund stellen. Das ist sehr schade, denn diejenigen, die zu Recht etwas bemängeln, werden so nicht gehört. Dennoch muss ich dabei auch feststellen, dass insbesondere in Bayern hier mit zweierlei Maß gemessen wird – Stichwort „Präventivhaft“. Wie viele Landwirte wurden in Präventivhaft genommen, weil sie ein Demo-Schild und einen Traktor besitzen, und wie viele sogenannte Klimakleber, weil sie demnächst Sekundenkleber kaufen könnten?

Was wäre Ihrer Einschätzung nach eine angemessene Reaktion auf die Bauern-Proteste?

Engel: Abbau der immer größer werdenden Bürokratie, Rücknahme der Streichung des Agrardiesels.

Rohde: Konsequente, demokratische Diskussion. Politik ist nie statisch. Die tatsächliche Ursache der Bauernproteste ist u.a. eine „wachse oder weiche“ Politik der Bauernverbände, es ist der bequeme Wunsch nach stetem Wachstum und ewiger Verfügbarkeit, außerdem der immer weiter zunehmende Grad der Bürokratisierung. Hier hätte die Politik schon vor vielen Jahren etwas machen sollen. Der eigentliche Auslöser der Proteste war dann ja nur noch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Hier hätten die verantwortlichen Bundespolitiker viel früher mit den Landwirten – nicht mit deren Lobby-Verbänden, sondern eben mit den Praktiker*innen – in einen offenen Dialog gehen müssen.

Engel: „Landwirte sind eine der wichtigsten Säulen der Gesellschaft“


Wo im Bayerischen Wald finden Sie Europa?

Engel: In zahlreichen durch die EU geförderten Projekten wie zum Bespiel die Kulturbühne Haus im Wald, die Volksmusikakademie in Freyung, das Vollath-Hanse-Haus in Zenting oder das barrierefreie Freizeit- und Sportgelände in Finsterau, um nur ein paar zu nennen.

Rohde: Ich wohne ja mitten im grünen Band Europas. Da, wo früher noch ein Stacheldrahtzaun den Westen „gegen den bösen Osten“ schützte, freue ich mich beim Wandern, bei der Skitour oder beim Mountainbiken über die Freiheit, einfach so nach Tschechien und Böhmen zu kommen. Projekte, die ohne Fördermittel der Europäischen Union gar nicht erst geplant worden wären, beleben nun unsere Landschaft, unseren Tourismus, unsere Wirtschaft. Arbeitskräfte aus ganz Europa sind bei uns aktiv und halten den Laden am Laufen. Länderübergreifende Kooperationen in verschiedensten Bereichen, seien es Rettungsdienste oder Nationalparkverwaltungen, aber auch grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit: das ist Europa – und wir alle ziehen tagtäglich unseren Nutzen daraus.

 

Was macht die EU für Sie aus? Was sind die wichtigsten europäischen Werte für Sie?


Engel: Natürlich das unkomplizierte grenzenlose Reisen innerhalb der EU und die gemeinsame Währung sowie die Möglichkeit, überall zu studieren
oder arbeiten zu können – ohne Visum. Seit zwei Jahren ganz wichtig: Die Sicherung des Friedens und als Gemeinschaft für Demokratie einzustehen.


Rohde: Die EU bedeutet Freiheit und Freizügigkeit, Sicherheit und Stabilität, Vielfalt und Wertschätzung. Ein gemeinsamer, demokratischer Diskurs. Gemeinsamkeit!


Die Fragen stellte Sonja Schumergruber.

 

Quelle: Passauer Neue Presse vom 27.04.2024

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