Ortsverband Sonnenwald-Dreiburgenland

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Stellungnahme des Grünen Ortsverbandes Sonnenwald-Dreiburgenland zum geplanten Bauvorhaben des Wasserkraftwerks Dießensteiner Mühle an der Ilz

Der geplante Neubau des Wasserkraftwerks an der Dießensteiner Mühle an der Ilz steht in einem fundamentalen Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach lokaler regenerativer Energieerzeugung und der zwingenden Bewahrung eines einzigartigen und besonders schützenswerten Naturerbe. Die vorliegende Abwägung der Fakten zeigt, dass der Eingriff in die Ökologie und den Wasserhaushalt der Ilz in keiner Weise durch den marginalen energiewirtschaftlichen Nutzen zu rechtfertigen ist.

1. Unverhältnismäßiger Eingriff in den Wasserhaushalt
Der geplante Bau würde den Wasserhaushalt der Ilz massiv und nachhaltig stören:

  • Drastische Entnahme: Die Entnahme von 65 % bis zu 90 % der Wasserführung der Ilz ist ökologisch ruinös. Die verbleibende Mindestmenge von 800l/s verwandelt den Fluss über eine weite Strecke in ein ökologisch funktionsloses Rinnsal.
  • Verlängerung der Restwasserstrecke: Die geplante Verdreifachung der Restwasserstrecke multipliziert den Schaden. Der wasserarme und stark beeinträchtigte Abschnitt wird dadurch nicht nur noch ärmer, sondern auch deutlich länger.
  • Klimatische Verschärfung: Angesichts generell abnehmender Niederschlagsprognosen in Folge des Klimawandels wird die Restwassermenge zukünftig noch kritischer. Niedrigwasserereignisse werden häufiger und länger, was die ökologische Belastung erhöht und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks weiter mindert.

2. Verletzung des Schutzstatus und Gefahr für geschützte Arten
Das betroffene Gebiet ist kein gewöhnlicher Naturraum, sondern genießt den höchsten europäischen Schutzstatus und ist ein nationales Naturerbe.

  • Naturschutzgebiet Obere Ilz und FFH-Gebiet: Das Gebiet ist sowohl mit dem höchsten Schutzstatus Deutschlands als Naturschutzgebiet Obere Ilz, als auch mit dem höchsten europäischen Schutzstatus als Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiet ausgewiesen. FFH-Gebiete sind Teile des europaweiten Schutzgebietssystems Natura 2000 und dienen der Bewahrung seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten sowie deren Lebensräume.
  • Hohe Schutzwürdigkeit der Ilz: Die Ilz ist zu Recht als einer der letzten naturnahen, freifließenden Flüsse Deutschlands ausgezeichnet worden (u. a. als "Fluss des Jahres"). Solche Naturschätze sind extrem selten und müssen unversehrt erhalten bleiben.
  • Notwendigkeit der Verträglichkeitsprüfung: Eingriffe in Schutzgebiete nationaler und europäischer Ordnung sind nur unter strengsten Auflagen und bei Nachweis einer übergeordneten öffentlichen Notwendigkeit zulässig, die den Naturschutzwert überwiegt. Eine reine wirtschaftliche Betätigung oder ein marginaler Energiegewinn kann diesen Maßstab kaum erfüllen. 
  • Betroffene Rote-Liste-Arten: Die Lebensräume zahlreicher bedrohter Arten, darunter der Huchen, die streng geschützte Flussperlmuschel, die Steife Segge, das Bachneunauge und der Schwarzstorch, können direkt betroffen sein. Es ist zwingend erforderlich, eine umfassende Verträglichkeitsprüfung und ein Gutachten zu erstellen, das die Auswirkungen auf diese Roten-Liste-Arten und das Naturschutzgebiet transparent darlegt.

3. Fragwürdiger Energiewirtschaftlicher Nutzen und Subventionseffizienz
Der energiewirtschaftliche Nutzen dieses Projekts steht in keinem Verhältnis zum angerichteten ökologischen Schaden.

  • Marginaler Beitrag zur Versorgung: Die anvisierte Stromproduktion für etwa 600 Haushalte ist im Kontext der bayerischen Energieversorgung marginal. Bei einer Gesamtproduktion von ca. 60TWh in Bayern ist der Beitrag der Dießensteiner Mühle verschwindend gering. Dieser marginale Ertrag steht in einem völlig inakzeptablen Missverhältnis zur angedrohten ökologischen Zerstörung eines FFH-Flusses.
  • Fehlendes Grundlast-Argument: Die Behauptung einer relevanten Grundlastfähigkeit ist bei Kleinstkraftwerken dieser Größenordnung nicht nachvollziehbar. Die kumulierte Produktion aller kleinen Wasserkraftwerke (bis 100kW) beträgt in Bayern zusammen nur etwa 0,5 % der Gesamtproduktion – ein geringer Ertrag für fast 3500 individuelle Eingriffe in sensible Ökosysteme mit hohen ökologischen Schäden und finanziellen Kosten (Fischtreppen etc.).
  • Ineffizienter Einsatz staatlicher Förderung: Es ist klar zu hinterfragen, ob die (durch das EEG oder andere Mechanismen) garantierte staatliche Förderung hier sinnvoll eingesetzt wird oder ob der Erhalt der Ilz als intakter Fluss nicht der größere volkswirtschaftliche Nutzen ist.
  • Alternative Energiequellen als sinnvollerer Ersatz
    • Photovoltaik (PV): Die Leistung des geplanten Kleinstkraftwerks könnte durch PV-Anlagen auf geeigneten Dächern oder Konversionsflächen erbracht werden. Für die angenommene Leistung von 2MWh pro Jahr wird eine Fläche benötigt, die ökologisch neutral oder sogar verbessernd (z. B. auf versiegelten Flächen) eingesetzt werden kann, ohne einen Fluss zu opfern.
      Zum Vergleich: Um die angenommene Leistung für 600 Haushalte zu erzeugen, die im Durchschnitt 2GWh pro Jahr beträgt, wäre eine Fläche von etwa 2 Hektar PV-Anlage erforderlich. Diese Fläche ist auf den Dächern der umliegenden Ortschaften leicht zu finden, aber auch Nutzung von ökologisch minderwertigen Flächen oder AgriPV (Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen zum Anbau und PV-Gewinn mit positiven Effekten wie Schutz vor Dürre und Erosion) und bieten hier schnell und einfach Alternativoptionen.
    • Windkraft: Ein modernes Windrad (z. B. 4 MW Nennleistung) produziert pro Jahr typischerweise über 8.000MWh und damit ein Vielfaches der Dießensteiner Mühle. An geeigneten Standorten ist der ökologische Flächenverbrauch pro produzierter Kilowattstunde deutlich geringer und somit die ökologische Bilanz weitaus positiver. 
    • Energiespeicher: Moderne Speicher benötigen wenig Raum und können mit wenig finanziellem Aufwand und geringem Eingriff in die Natur einen flexibleren Beitrag zum Energiemix Bayerns liefern und dabei noch stabiler Schwankungen und Grundlastanforderungen übernehmen.
  • Alternative Energiequellen Wasserkraft (bereits in Umsetzung)
    • Neubau des Pumpspeicherkraftwerk Riedl: mit einer Leistung von 300MW und einer Speicherkapazität von 3,5GWh ist bereits ein Wasserkraftwerk in Niederbayern im Entstehen, das fast tausend Mal mehr Strom produziert als ein Neubau in Dießenstein.
    • Modernisierung bestehender Wasserkraftwerke wie z.B. des Wasserkraftwerk Passau-Ingling. Hier werden in den nächsten Jahren neue Turbinen installiert, was zu einer Steigerung der Energieproduktion auf fast 100MW Leistung führt (ein Vielfaches eines kleinen Wasserkraftwerkes an der Ilz). Die Versorungskapazität liegt bei fast 150.000 Haushalten und die geplante Effizenzsteigerung ermöglicht eine zusätzliche Versorgung von über 7.000 Haushalten – ganz ohne zusätzliche ökologische Schäden.

4. Freizeitwert und bauliche Schäden
Der Neubau schädigt zudem den hohen Freizeit- und Erholungswert der Region:

  • Beeinträchtigung des Naherholungsgebiets: Die baulichen Maßnahmen, insbesondere die Verlegung eines über 2m dicken Rohres, würden zu einer längeren Sperrung von Wegen führen, die das Naherholungsgebiet kreuzen. Dies führt über einen längeren Zeitraum zu einer erheblichen Einschränkung für den hier sehr ausgeprägten Tourismus, da sich genau hier eine der wenigen Fußgängerbrücken über die Ilz befindet.
  • Drainagewirkung: Die Einbringung eines großen Rohres in den Boden birgt die Gefahr einer drainierenden Wirkung auf angrenzende Feuchtgebiete, wodurch weitere wertvolle Biotope geschädigt würden.

Zusammenfassung
Der Um- bzw. Neubau des Wasserkraftwerks Dießensteiner Mühle ist angesichts des marginalen energiewirtschaftlichen Beitrags und der unwiderruflichen Zerstörung eines nationalen Naturerbes (FFH-Gebiet, Fluss des Jahres) abzulehnen.
Die staatliche Politik sollte sich darauf konzentrieren, die Energiewende durch PV-Anlagen, Speicher und Windkraft an ökologisch unbedenklichen Standorten voranzutreiben, anstatt die letzten freifließenden Flüsse Bayerns für einen symbolischen Energiegewinn zu opfern.

Vor Ort in Sonnenwald-Dreiburgenland...

Stammtisch jeden 15. des Monats in wechselnden Ortschaften (siehe Termine)

 

SprecherInnen:
Hanna Zintel (hanna.zintel@remove-this.gruene-frg.de)
Kathrin Behringer (Kathrin.behringer@remove-this.gruene-frg.de)

Schriftführerin: Esther Demont (esther.demont@remove-this.gruene-frg.de)

BeisitzerInnen:
Anna-Maria Behringer-Hemmel
Martina Thurnreiter
Roula Yassin
Tobias Knoll
Ulrich Matschke

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